Auf den Spuren der Lithografie. Ein über 200-jähriges, traditionsreiches Handwerk erlernen, bewahren und weitergeben.
Die Reise der Steine
Los geht’s

Los geht’s

Stein trifft auf Blei.

Den Startschuss meiner „Reise der Steine“ gab das diesjährige Alumni-Treffen des Vereins für Schwarze Kunst. In der Werkstatt von Buchdruckmeister Conny Hügelschäffer in Volkach bei Würzburg trafen sich die Absolventinnen des Stipendiums „Walz für Handsatz und Buchdruck“ sowie Lehrmeister:innen aus den hiesigen Bereichen. Gemeinsam arbeiteten wir an einer Plakat-Serie zum Thema „Frauen im grafischen Gewerbe“. Ich hatte die große Freude in Kooperation mit Buchbinderin Theresa Wedemeyer das Lied „Brot und Rosen“ gestalterisch umzusetzen.

Wenn wir zusammen gehen, geht mit uns ein schöner Tag
durch all’ die dunklen Küchen, und wo grau ein Werkshof lag,
beginnt plötzlich die Sonne unsere arme Welt zu kosen
und jeder hört uns singen: Brot und Rosen!“
(Textauszug)

Es beschreibt kraftvoll mit welcher Würde und lebensbejahendem Gefühl 1912 mehrere tausend Arbeiterinnen auf die Straße gingen. Sie kämpften für gerechte Entlohnung und bessere Arbeitsbedingungen. Das Gedicht gehört bis heute zur internationalen Gewerkschafts- und Frauenbewegung. Für uns Grund genug, den Text als Ausgangsbasis für unser Plakat zu nutzen.

Die Lithografie fertigte ich mit Unterstützung von Drucker Peter Stephan vorab in der Grafikwerkstatt Dresden an. In Volkach haben Theresa und ich gemeinsam die typografische Umsetzung gewagt und mit den Buchdruckmeistern gedruckt.

Für mich war es eine unglaublich wertvolle Erfahrung. Sei es Lithografie und Handsatz zu kombinieren oder sich auf den gemeinsamen Gestaltungsprozess einzulassen. Insgesamt sind an diesem Wochenende und in den darauffolgenden Tagen 10 Plakate entstanden. Sie werden bei der diesjährigen Mitgliederversammlung in Alpirsbach präsentiert.

Brot und Rosen
Stipentiatinnen-Treffen Volkach

Bonjour, Frankreich

Von Würzburg ging es dann direkt in den Elsass. Mein Ziel: das Lithografie-Atelier von Alain Hurstel in Hohfrankenheim, ein 200-Seelendorf in der Nähe von Straßburg. Ein idyllisches Dörfchen, eingebettet in einer malerischen Landschaft. Der Duft von frisch gekochtem Kaffee und die Vorfreude auf die ersten Steine lockten mich aus dem Bett. Ich konnte mein Glück kaum glauben. Ich fühlte mich wie im Litho-Urlaub! Kurze Wege, tolle Gesellschaft, Vollverpflegung und eine ordentliche Portion an Wissensinput. Einfach großartig! Ich bin immer noch dankbar.


Mein Highlight war das Arbeiten an einer Schnellpresse. Gemeinsam mit Alain fertigte ich meine ersten mehrfarbigen Lithografien von einem Stein an. Das Verfahren, von einem Stein mehrere Farben zu drucken, wird als „verlorene Form“ bezeichnet. Nach jedem Druckvorgang löschten wir die Zeichnung, indem wir den Stein entsäuerten. Somit war der Stein wieder neutral und gleichermaßen empfänglich für Fett und Wasser. Dieses Verfahren bietet den Vorteil, dass die vorherige Zeichnung noch leicht getönt zu erkennen ist. Dieser sogenannte „Geist“ erleichtert das Aufbringen der Zeichnung für die zweite und darauffolgenden Farben. Der Stein wird dabei in der Presse nicht verrückt und reduziert somit Anlage- und Passerprobleme.

So konnte ich mit jedem Druckvorgang auf das vorhergehende Ergebnis eingehen und meine Zeichnung schrittweise ausformulieren. Auch die Rollenaufteilung musste festgelegt werden. So war Alain zuständig, die Bögen anzulegen, ich nahm diese vom Druckzylinder ab und unsere helfende Hand Künstlerin Florencia Escalante wusch die Steinkanten und befeuchtete den Stein zusätzlich.

Einmal kam auch ich in den Genuss, mich als Bogenanlegerin zu probieren und erkannte, wie viel Fingerspitzengefühl und Konzentration diese Aufgaben abverlangte. Herausfordernd empfand ich aber nicht nur das Arbeiten an einer Schnellpresse und unsere dreisprachige Kommunikation, sondern auch den bewussten Umgang mit Farben.

Ich realisierte, dass die Farbwirkung von zahlreichen Faktoren abhängt – bspw. der Reihenfolge des Drucks der Farben und die Verwendung von deckenden oder lasierten Farben. Außerdem ist es wichtig, ein Gefühl für die Verhältnismäßigkeit der Farben zu entwickeln, um mit der Farbwahl meine Zeichnung für mich stimmig zu interpretieren. Kein Wunder, das der Farblithograf früher im lithografischen Gewerbe besonders geachtet wurden. Ich musste mir meine offensichtliche Unsicherheit eingestehen und notierte mir in meinem Notizheft mich noch intensiver mit der Farbenlehre auseinander zusetzen. Doch schlussendlich bin ich mit dem Ergebnis meiner beiden Lithografien sehr zufrieden und glücklich darüber, mir im Prozess die nötige Zeit für alle Schritte gelassen zu haben.

So entstanden zwei Arbeiten im Format 66x50cm. Davon eine fünffarbige und eine dreifarbige Lithografie.

Außerdem führte mich Alain in die Welt der Umdrucktechnik ein. Dieses Verfahren ist einfach und vorteilhaft. Erstens kann ich seitenrichtig zeichnen und habe die Möglichkeit, die Zeichnung auf dem Umdruckpapier auch außerhalb der Werkstatt entstehen zu lassen oder abfrottierte Strukturen auf den Stein zu übertragen. Ich möchte auch in Zukunft mit der Drucktechnik experimentieren und auch ein Versuch starten, Umdruckpapier selber herzustellen.

Die Woche mit Alain Hurstel verging wie im Flug. Es war nicht nur die umfangreiche lithografische Arbeit, die den Aufenthalt für mich so wertvoll machte, sondern auch die enorme Gastfreundschaft von Alain und seiner Frau Edith.

Mein Leipzig lob ich mir

…und das Museum für Druckkunst auch! Seit der Gründung 1994 hat sich das Museum dem immateriellen Kulturerbe der Drucktechnik verschrieben und bewahrt, pflegt und vermittelt die Techniken des Hoch-, Tief- und Flachdrucks. Das denkmalgeschützten Gebäude blickt auf eine 100jährige Tradition als Druckerei zurück. Ein großartiges Museum, welches auf vier Etagen mit rund 100 funktionsfähigen Maschinen und Pressen 550 Jahre Druck- und Mediengeschichte präsentiert.

Der Grund für meinen Besuch war nicht nur das Museum an sich, sondern auch der einwöchige Lithografie-Workshop für Kinder und Jugendliche unter Leitung von Alexander Frohberg. Der gelernte Steindrucker, Künstler und Dozent am Institut für Kunstpädagogik an der Universität Leipzig ermöglichte es mir in seinem Workshop zu hospitieren. Wie kann eine so komplexe Technik vermittelt werden? Das ist eine Frage die mich immer wieder beschäftigt. In dem Workshop von Alexander Frohberg bekam ich hierfür wichtige Impulse.