Auf den Spuren der Lithografie. Ein über 200-jähriges, traditionsreiches Handwerk erlernen, bewahren und weitergeben.
Die Reise der Steine
Zu Gast bei Eckhard Gehrmann

Zu Gast bei Eckhard Gehrmann

Kurz und knackig – der zweiwöchige Aufenthalt bei Maler und Lithograf Eckhard Gehrmann verging wie im Flug und der Intensität nach zu urteilen fühlte es sich an wie ein gelebter Monat. Mit viel Geduld und Freude zeigte mir Eckhard seine Herangehensweise an den Stein – die ich so bisher in keiner anderen Werkstatt gesehen habe. Wir druckten von morgens bis abends, schauten einander über die Schultern, tauschten uns aus und tauchten ein in unsere ganz eigene Welt der Steine.

One-by-One Lithoaustausch.

Eckhard Gehrmann ist bekannt für seine großformatigen Lithografien, die er von einem einzigen Stein druckt. Bei einem Blattmaß von 131 × 181 cm staunte ich nicht schlecht, als ich den Stein und die dafür eigens konzipierte Maschine in seiner Werkstatt sah. Dieses Format verlangt in jeglicher Hinsicht Erfindergeist, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen. Seine Arbeiten strotzen nur so vor Hingabe und Freiheit und lassen abstrahierte Formen und Linien aus seiner unmittelbaren Wirklichkeit wiedererkennen. Dabei wird der großformatige Stein nie komplett von der vorherigen Zeichnung befreit. Dadurch überlagern sich alte und neue Strukturen und lassen die Arbeiten nur noch lebendiger aussehen. Und in Verbindung mit seinem einmaligen Riecher für stimmungsreiche Farbkombinationen entstehen unverwechselbare lithografische Unikate. So viele Qualitäten in einer Person zu vereinen und sich dabei Offenheit und Bodenständigkeit zu bewahren, beeindruckte mich. Er verknüpft seine künstlerische und intuitive Schaffenskraft mit seinem Erfindergeist und Finesse zum Handwerk und erschafft damit ein einmaliges druckgrafisches Œuvre. Dass er den ersten Preis von der Internationalen Senefelder-Stiftung für sein grafisches Werk erhielt, steht außer Frage.

Mehr Informationen über Eckhard Gehrmann und sein Wirken als Künstler und Lithograf findet ihr auf seiner Webseite unter: www.eckhard-gehrmann.de

Eckhard Gehrmann, Titel: Für Christian, 177x124cm, Unikat,1989. Foto: www.eckhard-gehrmann.de
Eckhard bereitet alles für das Drucken vor. Foto: www.eckhard-gehrmann.de

So, nun aber genug geschwärmt :). Der zweiwöchige Aufenthalt war eng getaktet. Neben der überdimensionalen Presse beherbergt die Werkstatt noch zwei weitere Pressen in durchschnittlicher Größe. Diese nutzt er u.a. für Kurse und eigene Arbeiten. Eckhard schliff für mich schon vor meiner Anreise einen 50 × 70 cm großen Stein, damit ich gleich loslegen konnte. Er lernte zu seiner Zeit bei dem Lithografen und Künstler Christian Kruck an der Hochschule für bildende Künste in Frankfurt a. M. Diese Einflüsse spiegeln sich bis heute in seiner Herangehensweise am Stein wider. Er zeigte mir wie ich mit einer Mischung aus Federfarbe, Terpentin und Cornelin nicht nur hervorragende Pinselstriche auf dem Stein bringen kann, sondern diese auch problemlos drucken kann. Nach dem Druck der ersten Form lässt man die noch restliche Offset Farbe auf der Druckform trocknen, um diese im Anschluss zu reduzieren (z. B. mit Drahtbürsten, Messerchen oder Stahlwolle) und mit einer erneuten Farbe zu drucken. Mit diesem Prinzip der verlorenen Form auf dem Stein ist es möglich mehrere Farben von einem Stein zu drucken, ohne diesen zwischendurch zu schleifen. Um den Hintergrund flächig zu drucken, nutze ich bisher Seife. Eckhard gab mir den Tipp, den Stein einfach dünn zu gummieren und den Stein dann im trockenen Zustand zu drucken. Somit erhalte ich mir (im Gegensatz zu der Seifentechnik) meine Druckform unter der Gummischicht, wenn ich diese wieder entferne.

Erst arbeitete ich an einem Probestein und im Anschluss an dem 50 × 70 cm Stein. Den 50 × 70 cm großen Stein druckte ich in unterschiedlichen Farbkombinationen. Das war zunächst nicht geplant, sondern entstand im Prozess. Ich stellte diesmal nicht den Anspruch an mich eine ganze Auflage zu drucken, sondern erst mal die Herangehensweise von Eckhard zu verinnerlichen und damit zu experimentieren. Er zeigte mir auch, wie ich die mit Federfarbe aufgetragene Form mit einer Mischung aus Wasser und Salzsäure hoch ätzen kann, um somit ein Relief von der Druckform auf dem Stein zu erzeugen. Wir brutzelten also den Stein etwas. 🙂 Dieses Relief druckte ich dann Seitenverkehrt auf die vorher gedruckten Blätter und es entstanden wunderschöne Strukturen.

die trockne und feine Gummischicht auf dem Stein, ermöglicht die zweite Farbe als flächendeckenden Hintergrund zu drucken.
Die Mischung aus Federfarbe, Terpentin und Cornelin trocknet auf dem Stein und wird dann scharf geätzt.
seitenverkehrt gedruckt
verschiedenste Farbkombinationen

Mit jedem Werkstatt-Aufenthalt habe ich mir vorab Gedanken gemacht, was ich vor Ort umsetzten möchte. Diese Planung gab mir vor Antritt jeder Etappe eine gewisse Sicherheit. Vor Ort ist es dann immer wieder wichtig, mit Planänderungen umzugehen und für den Prozess offenzubleiben. Somit wusste ich, dass ich endlich meine Idee von lithografischen Buchobjekten umsetzten wollte. Da mich die Falttechniken von Künstlerin Heidi Kyle schon lange begeistern, wollte ich diese nun endlich anwenden. Und verblüffender Weise entfalteten die zarten Strukturen von meinen Lithografien ihre Wirkung intensiver, als diese im gefalteten Zustand auf ein kleineres Blattmaß reduziert wurden.

Und nach fast einem Jahr lithografischer Reise sehe ich auch langsam die Früchte meiner Arbeit. So war der Aufenthalt bei Eckhard kein einseitiger Austausch. Ich erfreute mich an seinem Interesse für die Schablithografie, jene Technik, die mir Schablitho-King Stephan Rosentreter an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein zeigte. Und so wandert tatsächlich Wissen von Werkstatt zu Werkstatt.

Hot Printing Festival im Klingspor-Museum Offenbach

Und dann war da noch das Hot Printing Festival im phänomenalen Klingspor Museum. Ein Museum für Buch- und Schriftkunst in Offenbach am Main. Das erstmalig durchgeführte Festival stieß bei allen Beteiligten sowie Besucher:innen auf viel Zuspruch. Es war eine wunderbare Möglichkeit seine Arbeiten zu zeigen, sich neuen druckgrafischen Input zu holen, alte Freunde wiederzusehen oder sich neu zu vernetzen. Für mich war es spannend erstmalig meine Arbeiten an einem Stand zu präsentieren und auch einen Vortrag über meine „Reise der Steine zu halten“. Und eine kleine Randnotiz: Eins meiner Künstlerbücher wurde vom Klingspor-Museum angekauft. Ich bin jetzt also offiziell im Museum vertreten. YippiYeah!

Und zu guter Letzt noch an dieser Stelle ein kurzer historischer Exkurs: Offenbach ist eine bedeutende Stadt im Bezug auf Lithografie. Denn der Notenverleger Johannes Anton Andre erkannte das Potential in der noch unbekannten Technik und holte Senefelder 1799 nach Offenbach. Dieser baute vor Ort eine Druckerei auf und druckte in einer Zeit in der es einen aufstrebenden Markt für Hausmusik und bürgerliche Kultur gab u.a. Partituren von Mozart. Es dauerte nicht lange und die Drucktechnik verbreitete sich wie ein Lauffeuer sogar über Europa hinaus.

Vordergrund: nachgebaute Stangenpresse; Hintergrund: Original Lithografiesteine der Notendruckerei André, 1943 durch Bomben zerstört und 1984 bei Ausschachtarbeiten wieder zufällig wiederentdeckt.

Ein besonderer Dank aus dem tiefsten Herzen geht auch an seine wunderbare Frau Liesa, für ihre liebevolle Bewirtung, herzliche Gastfreundschaft und unverwechselbaren leckeren Smoothies. Bis bald mal wieder liebe Familie Gehrmann. Es war wirklich schön bei euch!

Und jetzt geht es mit Peter Stephan aus der Grafikwerkstatt Dresden nach Schweden zum diesjährigen Lithografie-Symposium in Tidaholm. Volle fahrt voraus. 🙂