Auf den Spuren der Lithografie. Ein über 200-jähriges, traditionsreiches Handwerk erlernen, bewahren und weitergeben.
Die Reise der Steine
Its Workshop Time

Its Workshop Time

Die letzte Woche meines Türkei Aufenthaltes rückt näher und somit auch meine letzte Amtshandlung: ein fünftägiger Lithografie-Workshop im Rahmen der Litho Days mit Kunststudentinnen der Bilkent University of Ankara. Zwar habe ich Erfahrungen in der Planung und Durchführung von Workshops, jedoch war bisher kein Lithografie-Workshop mit dabei. Somit stieg bei mir die Aufregung. 😉

In der Vorbereitungsphase für den Workshop stellte ich mir folgende Frage: Was möchte ich den Teilnehmerinnen mitgeben? Schnell war mir klar, dass sie erstens so viel wie möglich eigenständig machen sollen, zweitens mit ihren Druckerzeugnissen glücklich sind. Und drittens, dass sie die Möglichkeit bekommen, einen leichten und spielerischen Umgang mit der Lithografie zu erfahren und somit auch in Zukunft weiter mit dieser Technik arbeiten möchten.

1. Tag: Let’s get started 🙂

Im Rahmen eines fünftägigen Workshops ist ausreichend Zeit, um auch Steine zu schleifen. Viele steigen leider an diesem Punkt schon aus, weil entweder der Stein zu schwer oder das Schleifen körperlich zu anstrengen ist. Doch was, wenn sich ein meditatives Gefühl einstellt? Was, wenn der Künstler oder die Künstlerin sich wirklich auf den Prozess einlassen und das Schleifen als ein Teil davon versteht, als Vorbereitung und Möglichkeit sich mit dem Material wirklich vertraut zu machen? Seit meinem Besuch in den Steinbrüchen in Solnhofen änderte sich mein Umgang mit dem Solnhofener Plattenkalk von Grund auf. Hochachtung vor 150 Millionen Jahre Erdgeschichte stellte sich bei mir ein und somit eine aufrichtige Wertschätzung gegenüber dem Material. Meinen Workshop-Teilnehmerinnen die Augen dafür zu öffnen war mir ein großes Anliegen.

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde verschafften wir uns einen Überblick über die originalgrafischen Drucktechniken. Zum Glück haben sich schon viele Menschen darüber Gedanken gemacht und hervorragende Übersichten kreiert. So auch das Metropolitan Museum of Art. Mit dieser prägnanten Übersicht war es mir möglich den Studierenden die grundlegenden Unterschiede zwischen Hoch-, Tief- und Flachdruck kurz zu erläutern. Anschließend teilte ich mein Wissen über Steine, deren Entstehung, deren Abbau in den Steinbrüchen und Weiterverarbeitung. Ich zeigte Abbildungen aus dem Bildband „Die alten Mörnsheimer Steinbrüche“ von Emil Meier, um den Teilnehmerinnen einen Eindruck zu vermitteln, mit welcher kräftezehrenden Handarbeit die Steinbrecher früher in den Steinbrüchen arbeiteten. Es erforderte Kraft, Fingerspitzengefühl, Ausdauer und ein gutes Gehör, denn ein qualitativ hochwertiger Stein zeichnet sich durch einen hellen und reinen Klang aus. Nun kam der Moment des Schleifens. Ich erklärte die Nutzung der unterschiedlichen Körnung des Schleifsandes und die Wichtigkeit, die zu druckende Oberfläche des Steines mit einem schweren Lineal auf Unebenheiten zu prüfen. Der Vorgang des Schleifens entfernt optisch die alte Zeichnung sowie auch die chemischen Strukturen und bereitet den Stein auf eine neue Zeichnung vor. Dabei ist auch auf das Verhältnis zwischen Wasser und Schleifsand zu achten, um eine optimale Schleifwirkung zu erzielen. Wir probierten zwei unterschiedliche Möglichkeiten aus. Einmal „Stein auf Stein“ zu schleifen und mit einer Schleifscheibe, den Sandläufer. Ich war hellauf begeistert, wie schnell die Studentinnen das Prinzip verstanden und auch eine gewisse Freude hatten den Stein zu schleifen.

Nach einer kurzen Mittagspause zeigte ich den Teilnehmerinnen die Möglichkeiten mit Lithografie-Kreide zu arbeiten. Ich entschied mich für diesen Kurs die Studierenden nur mit diesem Material arbeiten zu lassen. Da sie den Stein eigenständig präparieren und druckfertig machen sollen ist es ratsam für die erste Lithografie nicht gleich das gesamte Arsenal an Zeichenmaterialien hervorzuholen. Für Einsteiger:innen ist das Präparieren und Drucken von Kreidelithografien anspruchsvoll genug. Mit den unterschiedlichen Härtegraden der Kreide ist es möglich eine umfangreiche Tonskala zum Ausdruck zu bringen. Mit harter Kreide erzielt man helle Töne und mit weicher Kreide erzielt man dunkle Töne. Das Ausprobieren an einem Probestein vermittelte allen ein erstes Gefühl im Umgang mit dem Material. Den Tag rundeten wir ab als sich jeder seinen Stein auswählte und wir über die einzelnen Skizzen und Zeichnungen sprachen und einen „Druckplan“ für die bevorstehende Woche organisierten. Dann konnten die Studierenden die restliche Zeit nutzen und sich ihrer Zeichnung auf dem Stein widmen.

2. Tag: Zeichnen und drucken, drucken, drucken.

Den Vormittag nutzen alle Teilnehmerinnen, um weiter an ihren Skizzen und ihren Zeichnungen auf dem Stein zu arbeiten. Ein Bestandteil des Workshops umfasst auch eine Gruppenarbeit. Jede durfte sich auf den großen Stein mit einer Zeichnung verewigen. Die Idee war nicht nur gemeinsam an einem Werk zu arbeiten und auf die Zeichnung der Vorgängerin einzugehen, sondern auch den großen Stein dafür zu nutzen, den Studierenden den Mehrfarbendruck näherzubringen.

Außerdem druckten wir heute auch schon den ersten Stein. Dafür zeigte ich an einem Probestein, wie die Zeichnung präpariert werden muss, um das Druckbild zu stabilisieren. Zuerst wird Kolophonium und Talkum auf die Zeichnung aufgetragen, um die Zeichnung vor der nun folgenden Ätzung zu schützen. Das Gummiarabikum mit einem Säurezusatz von zwei bis drei Prozent macht den Stein an den Stellen der Zeichnung fettanziehend und an den übrigen nicht bezeichneten Stellen fettabstoßend. Nach dem Präparieren der Zeichnung und einer gewissen Ruhezeit muss das fettige Zeichenmaterial gegen Druckfarbe ausgetauscht werden. Dieser Vorgang nennt sich Auswaschen. Mit Terpentin wird das fettige Zeichenmaterial auf dem Stein gelöst und entfernt. Hierbei zeigt sich, ob sich durch die Ätzung die Zeichnung auch wirklich vollständig im Stein festsetzt hat. Mit der Walze wird die Druckfarbe aufgetragen und die Zeichnung erscheint erneut. Der Stein muss dabei immer feucht gehalten werden. Zeynep hat auf jeden Fall richtig Spaß gehabt ihre erste eigene Lithografie zu drucken. Wir druckten auf Canson Edition Paper und variierten die Arbeiten, indem sie gezielt Chine Collé einsetzte.

Chine Collé heißt übersetzt „geklebtes chinesisches Papier“. Ich kenne diese Technik noch aus der Radierung und finde es auch für die Lithografie eine großartige Bereicherung. Da es innerhalb des Workshops zeitlich nicht möglich war jede Kursteilnehmerin mehrfarbig drucken zu lassen, verhalf das gezielte Einsetzten von Chine Collé den Lithografien farbige Elemente hinzuzufügen. Wer die Lust verspürt mehr über diese Technik zu erfahren empfehle ich einen Blick in das Buch „Tamarind Techniques for Fine Art Lithography“ zu werfen.

3. Tag: Weiter geht’s!

Heute drucken wir gleich zwei Lithografien von einem Stein. Hier war vor allem Teamwork und optimale Organisation gefragt. I love it! Das Papier zum Drucken war vorbereitet und die Papiere für das Chine Collé lagen bereit. Die Maschine war eingerichtet und beide Studentinnen haben sich schon für ihre Farbe entschieden. Beiden wollte ich ermöglichen die Erfahrung zu machen zu drucken, somit bekamen beide eine Walze in die Hand und mussten sich aufeinander abstimmen. Zu meiner Überraschung empfanden die Kursteilnehmerin vor allem die Nutzung und Beherrschung einer Lithografie-Presse als sehr spannend und interessant. Ich war ernsthaft überwältigt von der Ausdauer und der Offenheit der Teilnehmerinnen. Sie haben alles problemlos umgesetzt, Feedback angenommen und sich vor allem untereinander geholfen und unterstützt. Einfach großartig. Auch die Ergebnisse können sich sehen lassen.

4. Tag: Der Gemeinschaftsstein wird gedruckt.

Der vorletzte Tag bricht an. Heute sind noch zwei Steine zu drucken. Der erste Stein ist von Deniz. Alles verlief ohne Probleme und die unterschiedlichen Variationen mit dem Chine Collé sind sehr gelungen. Die Teilnehmerinnen haben sich auch schon die Farben ausgewählt, mit denen sie den großen Gemeinschaftstein drucken möchten. Hier und da gab es jedoch ein paar Probleme. Einige Partien der Zeichnung wollten nicht drucken. Auch das ist manchmal Teil vom Prozess, dass die Dinge nicht so funktionieren wie man möchte. Zum Schluss haben wir es doch noch geschafft. Und während ich meine Präsentation für meinen morgigen Vortrag in der Universität vorbereitete, waren Zeynep und Deniz fleißig am Werk und druckten wie wahre Weltmeisterinnen. Sie wechselten sich mit dem Papier anlegen und dem Einwalzen immer ab. Gemeinsam druckten die beiden den zweifarbigen Stein mit dem Gemeinschaftsprojekt in einer Auflage von 10 Stück. Dogu und ich waren begeistert von so viel Tatendrang.

5. Tag: Präsentation und Abschied nehmen.

Der letzte Tag. Die Zeit verging wie im Flug. Heute werden die Teilnehmerinnen ihre Arbeiten in der Universität aufhängen und sie ihren Kommiliton:innen präsentieren. Die Hängung der Werke ging erstaunlich schnell. Jede durfte sich drei ihrer Lithografien auswählen. Da wir mit Chine Collé arbeiteten, waren innerhalb weniger Tage vielfältige Variationen entstanden. Während der Mittagspause kamen wir alle noch einmal zusammen und sprachen über die vergangenen gemeinsamen fünf Tage, gaben uns ehrliches Feedback und lachten über witzige Momente. Dann durfte ich noch eine Präsentation über meine bisherige „Reise der Steine“ machen und nach der Veranstaltung zeigte uns die Professorin sogar die universitätseigene Lithografie-Werkstatt. Noch befindet sich diese im Dornröschenschlaf und war seit über 20 Jahren nicht in Benutzung. Jedoch soll sich das nun in Zukunft ändern. Ich drücke die Daumen und hoffe, dass die Universität bald ihre Werkstatt wieder nutzt und die Workshop Teilenehmerinnen somit die Möglichkeit bekommen auch in Zukunft mit dem Stein zu arbeiten.

Rückblickend war diese Woche eine unglaublich wertvolle Erfahrung. Ich habe für mich realisiert, wie viel ich in den letzten Monaten über Lithografie gelernt habe und wie viel Freude es bereitet, das Wissen auch weiterzugeben. Danke auch an das Dou.Printstudio für die Zurverfügungstellung der Werkstatt und ein herzliches Dankeschön an Su Ates, Zeynep Gönen, Deniz Sayran, Leyal Ince, Eda Demirpol für eure Lernbereitschaft, euer Talent und Offenheit.

( v.l.n.r. Su Ates, Zeynep Gönen, Deniz Sayran, Leyal Ince, Eda Demirpol, ich und Dogu)